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Fulminanter Verkaufsstart für die Sony Playstation 2

Am vergangenen Samstag hat Sony in Japan die ersten Exemplare der Spielkonsole Playstation 2 in den Verkauf gebracht. Die Konsole soll ins Zentrum der Heim-Unterhaltung rücken und für viele Anwendungen den PC verdrängen. Sie kann DVD-Videos abspielen, in naher Zukunft soll sie auch als Internet-Terminal dienen. Die Playstation 2 kommt im Sommer in den USA und im Herbst in Europa in den Handel. Sie soll rund 600 Franken kosten.

Die Bilder der Jugendlichen, die 48 Stunden und mehr in eisiger Kälte vor einem Elektronikgeschäft in Tokio ausgeharrt hatten, um als erste die Playstation 2 von Sony erstehen zu können, gingen um die Welt. Seit Windows 95 hat kein Computerprodukt einen derart spektakulären Verkaufsstart erlebt. Vom Vorgängermodell hat Sony bis heute gegen 80 Millionen Stück verkauft, was dem Konzern einen Marktanteil von 70 Prozent bei den Spielkonsolen sicherte. Geld verdient wird aber nicht primär im Hardware-Markt, sondern bei den Spielen, der Software: 10 Milliarden Dollar pro Jahr werden hier umgesetzt.

Die technischen Eckdaten der Playstation 2 sind beeindruckend: Herzstück der Playstation 2 ist ein mit 300 MHz getakteter RISC-Prozessor. Gegenüber einem zeitgemässen Pentium-III-Prozessor soll der neue Chip zwei- bis viermal schneller sein. Für die Graphikaufbereitung wird er von einem separaten, mit 150 MHz getakteten Koprozessor unterstützt. Als Mass für die Quantifizierung der Leistung eines Graphikchips gilt die Anzahl der Polygone, die er pro Sekunde berechnen kann. Theoretisch schafft die neue Konsole 75 Millionen Polygone pro Sekunde. Weil ein beträchtlicher Teil der Rechenleistung für die Darstellung von aufwendigen Spezialeffekten verwendet wird, bleiben in der Praxis davon noch rund 35 Millionen übrig. Doch das ist noch immer ein Mehrfaches dessen, was die Vorgängermodelle zu leisten imstande waren: Die Nintendo-Konsole N64 schafft 150 000, die alte Playstation 360 000, das Konkurrenzprodukt Dreamcast von Sega bringt es auf 3 Millionen Polygone pro Sekunde. Mit ihrer hohen Rechenleistung sollte die Playstation  2 in der Lage sein, auch komplizierte Oberflächen wie reflektierendes Metall oder Wasser wirklichkeitsnah darstellen zu können. Menschen und ihren Bewegungen sollen echter wirken und etwas von der bei Computerspielen typischen Steifheit verlieren. Sony nennt den 128-Bit-Chip denn auch «Emotion Engine».

Weil der neue Prozessor die Instruktionen des alten ebenfalls auszuführen versteht, ist die Playstation-2-Konsole rückwärtskompatibel. Dies bedeutet, dass die heute über 2500 Titel umfassende Bibliothek von Playstation Games weiter benutzt werden kann. Darüber hinaus haben alle grossen Spielehersteller von Acclaim über EA, GT Interactive, Namco, Eidos, Disney, Hasbro, Ubi Soft bis Virgin angekündigt, Spiele für die neue Plattform erarbeiten zu wollen. Die Playstation 2 birgt ein DVD-Abspielgerät, das sich auch über eine Fernbedienung steuern lässt. Über die eingebauten Schnittstellen sollen in Zukunft auch ein Modem und eine Harddisk angeschlossen werden können.

In die Entwicklung und Produktion der neuen Konsole hat der japanische Elektronikkonzern rund 1,2 Milliarden Dollar investiert: 455 Millionen Dollar gehen in ein Joint venture mit Toshiba für den Bau einer Fabrik in Oita, wo der 128-Bit- Chip hergestellt wird; 727 Millionen Dollar flossen in den Aufbau einer Anlage zur Produktion des Graphikchips in Nagasaki. Die riesigen Investitionen lassen erkennen, welche Bedeutung man bei Sony der Playstation 2 zumisst: «Wir wollen, dass die Playstation 2 zum Zentrum der Heim- Unterhaltung wird», sagte Ken Kutaragi, CEO von Sony Computer Entertainment. Geplant ist übrigens in diesem Zusammenhang auch eine Reihe von leistungsfähigen Graphik-Workstations: Damit visiert Sony zuerst den Markt der Game-Entwickler an, will die Workstations später aber auch breiter vermarkten.

Wird es dem Konzern gelingen, die enormen Investitionen schnell genug zu amortisieren? Mit dem Verkauf der Hardware wird sich - trotz dem hohen Preis - kaum Geld verdienen lassen. Auch die Gewinne aus dem Software-Geschäft dürften die Investitionen so schnell nicht aufwiegen. Möglicherweise hofft Sony, sich dank der Playstation als Internet-Firma profilieren zu können. Der Playstation-Benutzer soll in Zukunft in der Lage sein, sämtliche Unterhaltungsangebote - Spiele, Musik, Filme - übers Internet auf die Konsole herunterzuladen. Anders als Rivale Sega kann Sony aber zurzeit die dafür notwendigen Zusatzgeräte noch nicht liefern. Das entsprechende Zubehör soll erst dann auf den Markt kommen, wenn breitbandige Verbindungen eine grössere Verbreitung gefunden haben.

Sega ist mit seiner Dreamcast-Konsole bereits seit vergangenem Herbst auf dem Markt; Nintendo will eine neue Konsole mit dem Codenamen Dolphin nächstes Jahr lancieren, und auch Microsoft interessiert sich für das Geschäft mit Spielkonsolen. Eine grosse Konkurrenz stellen nach wie vor auch die PC dar: Die US-Firma Connectix hat eine Software entwickelt, mit der sich die alte Playstation-Hardware emulieren lässt. Sony versuchte ohne Erfolg, den Verkauf dieser Software per Gerichtsentscheid zu verhindern. Seit dieser Woche ist die Connectix-Software für 29 Dollar im Handel.

Dominik Landwehr

Neue Zürcher Zeitung, 10. März 2000

 

 

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