IKRK-Generaldirektor:
Dr.Peter Fuchs, Generaldirektor des Internationalen Komitees vom Roten
Kreuz (IKRK), erklärt die Schwierigkeiten der Hilfswerke in Zaire
und äussert sich zur Zukunft der humanitären Hilfe. Die Politik
hat für ihn seit dem Ende des Kalten Krieges an Macht und Einfluss
verloren. Demgegenüber hat eine immer stärker globalisierte
Wirtschaft an Macht gewonnen. Die Wirtschaft, so argumentiert Fuchs, wird
in Zukunft diese Macht auch politisch einsetzen müssen, um sich ihre
Absatzmärkte zu sichern. Damit kommt ihr im Bereich der Konfliktprvävention
eine grosse Aufgabe zu, auf die sie heute nur unzureichend vorbereitet.
Ist. .«Brückenbauer»: Hat das IKRK in Zaire versagt? Peter Fuchs: Versagt hat vor allem die internationale Gemeinschaft.
Es war seitJahren bekannt, dass die Lage im Gebiet der grossen Seen, also
in Ruanda,Burundi und Zaire, extrem gespannt ist. Aber nichts geschah.
Dann explodierte das Pulverfass. Als Resultat fanden wir eine total chaotische
Situation vor: Kriegsparteien, Banditen, bewaffnete Kinder und Fanatiker
kämpften. Es war für uns als Weisse unmöglich, dort in
Ostzaire noch zu arbeiten. Im Moment ist ein Teil der Flüchtlinge auf dem Weg zurück.
Das IKRK kann seine Aufgabe aber auch jetzt nicht richtig wahrnehmen.
Wir haben zum Beispiel versucht, mit unseren Lastwagen Kranke, Alte, Kinder
und Frauen - die schwächsten unter den Flüchtlingen - zu transportieren.
Das ging nicht. Man zwang uns, alle Leute auf Lastwagen zu laden. Es ist
für uns im Moment nicht möglich, eine zusammenhängende
Aktion durchzuführen. Immerhin konnten wir unsere Kollegen vom Zairischen
Roten Kreuz mit Hilfsgütern und Lastwagen unterstützen. Und Sie machen trotzdem weiter? Es gibt offenbar noch weitere 800000 Flüchtlinge aus Ruanda
in Zaire. Was geschieht mit diesen Menschen? Das Auffälligste ist ein enormes Wachstum: Wir haben unser Aktivitäten
in dieser Zeit ungefähr verdreifacht. Die Zahlen sprechen eine deutliche
Sprache: Wir hatten in den letzten Jahren manchmal Jahresbudgets von bis
zu einer Milliarde Franken. Im Feld sind heute rund 1000 Mitarbeiter,
so viele wie noch nie. Wo liegen die Gründe für dieses enorme Wachstum? Hat das auch mit der Situation in Ruanda und Zaire zu tun? Wollen Sie damit sagen, dass der Westen mitschuldig ist an den heutigenKonflikten
in Afrika? Die internationale Gemeinschaft scheint sich aber genau um dieses Eingreifen herumzudrücken. Die Staaten haben heute keine globalen Visionen mehr und sind stark
mit sich selber beschäftigt. Die Innenpolitik hat überall Vorrang.
Die Aussenpolitik dient in erster Linie der Innenpolitik. Seit dem Ende
des Kalten Krieges gibt es etwa ein Dutzend neuer Staaten. Es findet eine
Miniaturisierung der Politik statt. Die Auswirkungen davon sieht man in
der Staatengemeinschaft, die immer schwerfälliger wird und sich oft,
wenn überhaupt, erst in letzter Minute zum Handeln durchringen kann. Dieser «Miniaturisierung» in der Politik steht die Globalisierung
in derWirtschaft entgegen. Wie reagieren Wirtschaftsführer auf diese Ideen? Peter Fuchs ist bis Ende 96 Generaldirektor beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz. Danach wird es als privater Berater tätig.
Interview Dominik Landwehr
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