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Haltbarkeit von Speichermedien: Kein Backup für die Ewigkeit

Von Dominik Landwehr

Erschienen in Infoweek Nr.14 vom 24.April 2001

Niemals zuvor hat der Mensch eine so grosse Menge an schriftlichen Informationen erzeugt – aber noch nie zuvor waren diese Informationen so fragil. Der Grund: Keines der heute bekannten digitalen Speichermedien vermag Daten länger als einige Jahrzehnte zu speichern. Eine Patentlösung für dieses Problem ist noch nicht in Sichtweite. Bis es einmal soweit ist hilft nur eines: Konsequentes Datenmanagement und das heisst vor allem regelmässiges Umkopieren der Daten.

Archäologen, die sich dereinst einmal mit unserer Zeit befassen, dürften eine überraschende Feststellung machen: Zwar bescherte die elektronische Datenverarbeitung den Menschen am Ende des 20. Jahrhunderts plötzlich Instrumente um mit ungeahnt grossen Datenbeständen zu arbeiten und gleichzeitig auch ebensogrosse Datenbestände zu produzieren. Was die Menschen aber zu Beginn des digitalen Zeitalters erarbeitet hatten, konnten die die Forscher nicht herausfinden – die Datenbestände liessen sich auch mit den ausgeklügeltsten Methoden nicht mehr lesen. Viele Zeugnisse des Schaffens werden darum der Nachwelt verborgen bleiben. Dies gilt für Kulturgüter, für Radio und Fernsehdaten ebenso wie für Daten von Banken und Versicherungen und natürlich auch für wissenschaftliche Daten.

Das Trauma von Brian Eno

Das ist keine Horrorvision. Daten gehen verloren: Schon heute sind rund 10 bis 20 Prozent der Weltraum-Daten, welche die Nasa mit den Viking-Sonden in den 60er Jahren erhoben hat, unlesbar geworden. Und es trifft auch die Unterhaltungs-Industrie. Der britische Musiker Brian Eno berichtet von einem traumatischen Erlebnis: „Wenn digitale Medien beschädigt werden, dann sind sie sofort nicht mehr lesbar. Währenddem ein analoges Tonband einfach gewisse Frequenbereiche verliert und ausleiert, wird ein digitaler Studio-Tonträger plötzlich ganz unbrauchbar. Das ist mir mit einer Reihe von digitalen Aufnahmen passiert. Da war einfach plötzlich nichts mehr zu hören“. Das Bewahren und Vermitteln des kulturellen Erbes wird immer schwieriger: „Die Einführung neuer Medientechnologien hat vielfach zu einer Verschlechterung der Situation in den Archiven geführt“, heisst es in einem Aufsatz von Arno Günzl und Rudolf Gschwind von der Abteilung wissenschaftliche Fotografie der Uni Basel.

Zuwenig Problembewusstsein bei KMU’s

Jeder hat schon die Erfahrung gemacht, dass sich eine CD ROM – zumal eine selbstgebrannt – plötzlich nicht mehr lesen lässt. Meist hilft ein Ausweichen auf ein anderes Lesegerät weiter. Aber man bleibt alarmiert. Wer schon versucht hat, Daten von einer alten 5 ¼ Zoll Diskette einzulesen weiss, wie schwierig es ist, heute noch ein Lesegerät für dieses Format aufzutreiben, das noch bis Ende der 80er Jahre geläufig war. Die Ratgeberspalten von Computerzeitschriften beschäftigen sich immer wieder mit Ratschlägen für das Importieren von veralteten Datenformaten. Längst nicht für jedes Datenformat steht ein modernes Filter zur Verfügung, das ein problemloses Importieren ermöglicht. Abhilfe schafft dann nur ein Installieren des alten Systemes und ein Exportieren der Daten auf ein heute noch gebräuchliches Datenformat.     Das Problem ist auch in Schweizer Firmen ein Dauerbrenner. Olaf Swantee, bei Compaq für Speichermedien (Enterprise Storage) zuständig, stellt eine differenzierte Wahrnehnumg fest: „Vor allem Firmen, die sehr intensive IT-Nutzer sind, beschäftigen sich mit dem Problem. Dazu gehört die Telekom-Branche, der Media and Entertainment Bereich und die Finanzdienstleister“. Defizite ortet der Compaq-Manager im Bereich KMU: „Dazu gehören zum Beispiel Architekturbüros oder Anwaltskanzleien – hier fehlt oft ein Problembewusstsein und demensprechend hat man dort auch keine Strategien.“

Vielfältige Gründe

Digitale Informationen bestehen eigentlich nur aus Nullen und Einsen. Solche simplen Daten aufzubewahren sollte kein Problem sein, denkt man. Weit gefehlt. Das Problem ist vielschichtig und die Schwierigkeiten haben verschiedene Ursachen:

  • Die Medien – Disketten, Tapes, CD-Roms und andere Datenträger  - sind selber sind der Alterung unterworfen

  • Die einst benutzte Software ist heute nicht mehr üblich ebenso das Datenformat, das zur Speicherung benutzt wurde

  • Die einst benutzte Hardware ist beschädigt oder schlicht nicht mehr vorhanden.

Man kennt heute die Lebensdauer der verwendeten Medien nur sehr schlecht. Es fehlt an Vergleichsdaten. Immerhin können physikalische Rahmenbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit, Licht und mechanische Beanspruchung simuliert werden. Diese Simulationen führen dann zu mehr oder weniger zuverlässigen Schätzungen. Das Problem beginnt aber in der Regel schon viel früher „Die gespeicherten Daten werden unlesbar, nicht weil das Medium kurzlebig ist, sondern weil die Systemwechsel so schnell sind“. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, welche an der Abteilung für für wissenschaftliche Photographie an der Universität Basel erarbeitet wurde. Auftraggeber war übrigens das Bundesamt für Zivilschutz – ein Hinweis, dass man sich auch an offiziellen Sorgen ernsthafte Gedanken über die Haltbarkeit von digitalen Daten macht.

Der Produktekezyklus liegt heute bei nur gerade ein bis zwei Jahren. Ab der zweiten Generation rückwärts
wird’s erfahrungsgemäss problematisch und ab der 3.Generation ist Schluss „im Allgemeinen inkompatibel, der Datenträger kann nicht mehr gelesen werden“, heisst es in der Basler Studie.
Ein weiteres Problem kommt dazu: „Die Bedürfnisse verändern sich ständig. Viele Firmen werden in wenigen Jahren drei bis viermal so viel Speicher benötigen, wie heute“, erklärt der Compaq-Manager Olfaf Swantee. Trotzdem werden nicht mehr Ressourcen zur Verfügung stehen: „Wir gehen davon aus, dass bei den meisten Firmen weder mehr Finanzen noch mehr Personal zur Verfügung steht, um dieses Problem zu lösen.“

Neue Speichertechnologien

Hilft ein Blick in die Zukunft? – Erlösen uns bald neue Speichertechnologien von unseren alten Sorgen? – Mindestens in quantitativer Hinsicht dürften bald keine Wünsche mehr offen bleiben. Die Speichermedien werden immer leistungsfähiger. Einige, wenn auch nicht alle, werden auch langlebiger. Hier ein kurzer Blick auf die wichtigsten Entwicklungen:

Holografischer Speicher:
Mithilfe eines Lasers wird ein kleiner Kristall – etwa fünf Zentimeter gross und drei Millimeter dick – „beschrieben“. Die Daten werden gewissermassen eingrafiert. Das Verfahren wurde am Instiut für Kristallographie der Universität Köln entwickelt und soll riesige Datenmengen speichern können: Die Rede ist von Systemen, die bis zu 100 Peta Byte aufnehmen können. Das sind 1000 Terabyte oder 1000 Millionen Megabyte. Die Daten sollen mehr als 100 Jahre haltbar sein. Der Trick: An einem Speicherort können bis zu 10 000 verschiedene holografische Bilder gespeichert werden. Durch eine winzige Drehung des Kristalls wird ein neuer Einfallswinkel für den Laserstrahl erzeugt, dadurch wird ein neuer Speicherplatz erzeugt...

Millipede
Noch phantastischer klingt die Beschreibung eines Speichermediums namens „Millipede“, das am IBM Forschungslabor Kalifornien entwickelt wurde. Es baut auf dem Prinzip der Rastertunnel-Mikroskopie auf, für die das Zürcher IBM Forschungslabor 1986 den Physik-Nobelpreis erhalten hat. Bei dieser rein mechanischen Technologie werden mit einem unendlich feinen Instrument Atome verschoben. Peter Vettiger vom IBM Forschungslabor in Rüschlikon vergleicht diesen Prozess mit einer Vinylplatte, deren Oberfläche von einer feinen Nadel abgestatet wird:  “Weil dieser Prozess relativ lange dauert haben wir tausende solcher Einheiten zusammengenommen und in einen Chip eingebaut. Die Daten werden parallel auf den Speicherchip übertragen. Gemäss Peter Vettiger ist heute noch unklar, welche Lebensdauer dieser Chip halten wird. Klar ist hingegen, dass auf diese Weise Speicher mit fast unendlicher Kapazität hergestellt werden können. 

Multilayer Technologie
Eine weitere vielversprechende Technologie trägt den Namen Fluorescent Multilayer Disc (FMD): Die FMD-Technologie funktionniert im Grunde ähnlich wie die DVD-Technologie. Nur benutzt sie statt zwei Schichten 20 und in Zukunft vielleicht sogar 100 Schichten übereinander. Damit wäre es theoretisch möglich Speicher bis zur Grösse von 450 GB zu bauen.

Das Internet als Langzeitspeicher?
Schliesslich darf auch nach der Bedeutung des Internets als Langzeitspeicher gefragt werden. Das erscheint auf den ersten Blick absurd, weiss doch jeder, wie schnell vergänglich Internet Angebote sind. Nicht zuletzt deshalb gibt es das Projekt einer „Internet Library“, welche in regelmässigen Abständen das gesamte Internet speichert und der Nachwelt erhalten will.Trotzdem hat auch das Internet selber ein grosses Potential uns zu einer langlebigen und äusserst sicheren Speichertechnologie zu verhelfen. Ursprünglich war es ja gerade für eine Situation entwickelt worden, in der einzelne Knoten im System ausfallen würden. Redundanz heisst das Zauberwort. Und genau von dieser Redundanz will ein ganz anderes Speicherkonzept profitieren. Es trägt den Namen „Distributed Archival Network“ und stammt wiederum aus der Küche der innovativen Basler Speicher-Spezialisten von der Abteilung für wissenschaftliche Fotografie, dike seit kurzem zum neugegründeten Institut für Medienwissenschaften gehört. Eine Reihe von Institutionen, so die Grundidee, sollen sich zusammenschliessen und miteinander ein Archivnetzwerk aufbauen. Redundanz heisst in diesem Fall  geografische Verteilung und automatische Replikation. Alle Daten sind in allen Knoten vorhanden. Dadurch kann auch ein katastrophales Ereignis – etwa ein Erdbeben – dem Archivnetzwerk nichts anhaben. Weil die Daten jeweils mit einem kryptographischen Verfahren verschlüsselt werden, hat trotzdem nur jedes Institut Zugriff auf seine eigenen Informationen.                                                                     

Konzepte für die Gegenwart
Neue Technologien mögen dereinst unsere Speicherprobleme lösen. Bis es aber soweit ist, müssen wir uns mit den heutigen Technologien begnügen. Was bedeutet dies alles nun für den Benutzer?  Wer Daten langfristig erhalten und benutzen will, braucht ein Konzept. Das Konzept muss sich mit den Speichermedien auseinandersetzen und neben der Lagerung ein eine Qualitätssicherung sowie ein regelmässiges Umkopieren sicherstellen. „Es braucht in jeder Firma Leute mit Kenntnissen im Bereich Storage, die eine Speicher-Strategie festlegen und auch umsetzen“, stellt Compaq-Spezialist Olaf Swantee fest. Diese Strategie muss beispielsweise mit dem Wachstum zurechtkommen. Eine Universallösung gibt’s nicht: „Gewisse Daten werden ständig benötigt, andere nur einmal in 20 Jahren – und entsprechend vielfältig müssen die Lösungen sein. In der Regel wird dies ein Mix aus verschiedenen Technologien sein.“  Immerhin, eine Tendenz sieht der Compaq-Mann, nämlich der Trend zu verteilten Storage-Lösungen, die aber zentral verwaltet werden. Im Grund genommen ist dies die Uebertragung des Client-Server-Modells auf die Speicherverwaltung.Die Architektur von Speicherlösungen und die Wahl der Speichermedien sind zwei zentrale Fragen.

Eine andere Frage muss aber jeder Benutzer und jedes Speicherkonzept vorweg klären: Welche Daten müssen überhaupt aufbewahrt werden? – Der Elektroingenieur Peter Vettiger, der sich am IBM Forschungslabor in Rüschlikon mit Mikro- und Nanomechanik beschäftigt, glaubt, dass hier vielfach gesündigt wird: „Wir müssen lernen, ein neues Verhältnis zu Informationen zu finden. Heute haben wir Zugang zu unendlich viel Information und wir produzieren auch ebensoviel. Wir müssen lernen, auszuwählen. Das gilt nicht nur für Individuen, sondern auch für Organisationen“. Im Klartext: Ausmisten kommt vor dem Archivieren. Oder etwas Eleganter: Die Daten müssen konsolidiert werden. Denn noch bleibt Peter Vettigers Wunsch unerfüllt „Daten sollten eine Halbwertszeit haben und mit der Zeit einfach von selber zerfallen“.


Die Haltbarkeit der verschiedenen Speichermedien

Digitale und analoge Medien altern unterschiedlich: Analoge Medien verändern sich mehr oder weniger kontinuierlich, die Lesbarkeit der Daten verschlechtert sich graduell bis zur totalen Unlesbarkeit. Eigentlich ist es ja ganz einfach: „Digitale Information ist entweder lesbar und damit ohne Qualitätsverslust verfügbar, oder die Information ist unlesbar und damit vollständig zerfallen“, heisst es in der Basler Studie. Die Tabelle gibt Antwort auf die Lagerbarkeit von verschiedenen Speichermedien. Die Zeiträume variieren oft stark. Entscheidend sind in jedem Fall die Umweltbedingungen, dazu gehören vor allem Wärme und Feuchtigkeit.

CD ROM 5 – 200 Jahre   
Zeitungspapier   10 – 20  
VHS Tape  10 – 30   
Magnetband  10 – 30   
Mikrofilm        10 – 500  
Kodakchrome Dias 100       
Säurefreies Papier     100 – 500  
Rosetta-HD       1000 +  
Aegyptische Stein-inschriften  200 +  
     
Quelle: Time and Bits
   

Kilo, Mega, Giga – Denken in grossen Masseinheiten

Wer sich mit Speichertechnologien beschäftigt, hat schnell einmal mit grossen Zahlen zu tun. Diese Tabelle schafft Klarheit

1 Kilobyte

1000 Byte

Tausend

10 3 

Byte

1 Megabyte

1000 Kilobyte

Millionen

10 6

Byte

1 Gigabyte

1000 Megabyte

Milliarden

10 9

Byte

1 Terabyte

1000 Gigabyte

Billionen

10 12

Byte

1 Petabyte

1000 Terabyte

Billiarden

10 15

Byte

1 Exabyte

1000 Petabyte

Trillionen

10 18

Byte

So bleiben ihre Daten länger frisch

Die Archivierung von Datenbeständen ist eine anspruchsvolles Unterfangen. Die nachfolgende aufgeführten Tips gelten gleichermassen für den privaten und beruflichen Bereich haben ihre Gültigkeit für PC’s ebenso wie für Mainframes. Die Basler Studie zählt die wichtigsten Punkte auf, die für eine Langzeitarchivierung beachtet werden müssen. Archivierungsstrategie, Formate, Datenträger und Hardware

Archivierungsstrategie

Zur Archivierungsstrategie zählt eine regelmässige Prüfung der Lesbarkeit, das Umkopieren oder Migrieren der Daten, das Sicherstellen von optimalen Lagerbedingungen, das Aufbewahren von wichtigen Daten an getrennten Orten, die Sicherstellung der Finanzierung. Ebenso gehört eine genaue Beschreibung der archivierten Daten dazu. Diese Beschreibungsdaten werden auch Meta-Daten genannt. Wer später nach bestimmten Daten sucht wird dies in der Regel anhand dieser Metadaten tun.

Formate
Es empfiehlt sich generell auf offene Standards zu setzen und Daten möglichst unkomprimiert zu lagern. Bei vielen Datenträgern gibt es nur proprietäre Formate, was diese ungeeignet für eine Langzeitarchivierung macht. ZIP, JAZ oder Syquest Medien beispielsweise verwenden proprietäre Standards und sind demzufolge weniger geeignet für die Langzeitarchivierung. Demgegenüber verwenden die heute handelsüblichen  beschreibbaren CD-Rom den ISO-Standard Format 9660, der gut dokumentiert ist.

Die verwendeten Datenformate sollten nicht von einem bestimmten Typ Hardware abhängig sein. Das Datenformat sollte offen gelegt sein. Im Text-Bereich sind beispielsweise das HTML, PDF oder RTF weit besser geeignet als die ständig wechselnden Word-Formate. Bei den Bildformaten empfiehlt die Basler Studie das unkomprimierte, plattform-unabhängige TIFF-Format. Wegen der Kompression ist das verbreiterte JPG-Format weniger für eine Langzeitarchivierung von digitalen Bildbeständen geeignet, dasselbe gilt für den GIF-Standard.

Datenträger
Das am meisten verbreitete Speichermedium dürfte hier die CD-R sein. Die Haltbarkeit dieser CD’s ist nicht nur vom Speichermedium und von der Lagerung, sondern auch von der Qualität des Schreibprozesses und des Schreibers selber abhängig. CD Brenner sollten ungefähr nach drei Jahren ersetzt werden. Die Basler Studie empfiehlt die CD-R zum Speichern von kleineren Datenmengen. Demgegenüber rät die Studie zur Zeit noch von der Benützung von DVD zur Langzeitspeicherung ab. „Es fehlt an breit abgestützten Angaben über die Lebenserwartung“. Ähnlich sieht es bei den magneto-optischen Speichermedien aus. Magnetische Speicher wie DLT und Storage Tek  sind demgegenüber vor allem für die Speicherung von grossen Datenmengen empfohlen, ausgenommen davon sind magnetische Wechselsysteme wie ZIP, JAZ, Syquest, aber auch das vor allem in der Musikweltweit verbreitere DAT.

Hardware
In der Langzeitspeicherung wird generell angestrebt, Daten plattform-unabhängig zu speichern. Deshalb sollte das verwendete System eigentlich eine untergeordnete Rolle spielen. In der Praxis sieht es aber anders aus, denn „die Verwaltung grosser Datenmengen erfordert im allgemeinen sehr leistungsfähige Systeme,“ hält die Basler Studie fest. Und hier schneiden Server-Systeme besser ab als reine Desktop-Systeme. Ebenso positiv ist die Studie gegenüber Mainframes und Minicomputer. Ähnlich sieht es mit den Betriebssystemen aus: Unix und Linux erweisen sich als geeignet, ebenso Windows NT, währenddem die anderen Betriebssysteme für Windows und Mac als nicht empfohlenswert betrachtet werden. Sehr geeignet sind diese Betriebssysteme demgegenüber für die Digitalisierung von analogen Daten.

Oft braucht es massgeschneiderte Lösungen

Magnus Widmer, IBM Schweiz Marketing Produktebereich Speichersysteme

Welche Bedeutung spielt die Haltbarkeit eines Speichermediums bei ihren Kunden?

Die Kundenbedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Wir unterscheiden dabei Backup und Archiv. Im Bereich Backup beispielsweise ist lange Haltbarkeit kein wichtiges Kriterium. Die Sicherheitskopien müssen eine Haltbarkeit aufweisen, die zwischen einigen Tagen und einigen Jahren schwankt. In den grossen Rechenzentren werden Backupkopien normalerweise auf Half-Inch Tapes gemacht. Diese Backups werden im Doppel angefertigt und an getrennten Orten aufbewahrt.

Wie hoch ist die Lebensdauer von solchen Tapes?

Wir garantieren hier im High-End Bereich bis zu zehn Jahren. Trotzdem empfehlen wir, nach fünf Jahren einen Blick auf die Daten zu werfen. Solche Bankopien sind sehr widerstandsfähig und ertragen auch mechanische Beschädigungen: Bei Tests haben wir auch schon Löcher ins Band gemacht und festgestellt, dass die Daten danach immer noch einwandfrei lesbar waren. Dies liegt daran, dass die Daten redundant aufs Tape geschrieben werden.

Wie sieht es im Bereich Archivierung aus?

Im Archiv-Bereich sind die Anforderungen höher. Wir sind hier mit sehr anspruchsvollen Situationen konfrontiert. Das Gesetz verlangt beispielsweise, dass Versicherungspolicen sehr lange aufbewahrt werden und gleichzeitig in einer Form vorliegen müssen, die eine nachträgliche Veränderung ausschliesst. Viele Unternehmen archivieren ihre Versicherungspolicen deshalb entweder auf Papier oder Mikrofilm. Andererseits gibt es die Möglichkeit, solche Dokumente einzuscannen. Dann enstseht eine Image-Datei. Die rechtlichen Anforderungen sind dabei dieselben.

Welche Lösungen bieten sich hier an?

In diesem Fall bieten sich optische Speichermedien an. Diese Speichermedien und Methoden unterscheiden sich stark von der CD-Technologie, die wir aus der Unterhaltungs-Industrie kennen. Es gibt im Bereich der professionellen, digitalen Archivierung verschiedene Speichertechnologien, teilweise werden optische und magnetische Techniken kombiniert.

Wie lange ist die Lebenserwartung eines solchen Mediums?

Sie beträgt bis zu 300 Jahren. Wir kennen sie dank Simulationen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob es in 300 Jahren auch noch die entsprechenden Laufwerkeb geben wird. Das ist mehr als fraglich. Deshalb bleibt auch hier nichts anderes, als die Daten alle paar Jahre umzukopieren. Dies spart zudem Platz, weil die Speichermedien auch von Jahr zu Jahr leistungsfähiger werden.

Was passiert mit solchen Daten aber, wenn eine Firma aufhört zu existieren und die Datenbeständige nicht mehr umkopiert werden können?

...dann werden die Daten wohl nach wenigen Jahren nicht mehr lesbar sein, weil es an entsprechenden Lesegeräten fehlt.

Dank Digitalisierung haben alten Medien eine Zukunft

Analoge Medien sind zeitbeständiger als digitale Medien.Dieser Schluss mag einleuchtend tönen, in der Praxis ist die Situation aber komplexer. Immer mehr durchdringen sich analoge und digitale Medien. Das zeigen einige Beispiele:

Historische Foto werden nur dank digitaler Archivierung überleben können. Dasselbe gilt für ausgebleichte oder sogar beschädigte Fotos. Die Restaurierung von analogen Bildmaterial ist ein wichtiger Forschungszweig des Instituts für wissenschaftliche Fotografie an der Uni Basel. Die Digitalisierung von Bildarchiven dürfte weltweit Arbeit auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte geben. Die Sicherung des audiovisuellen Erbes in der Schweiz überordert die traditionellen Institutionen. Nicht zuletzt deshalb wurde Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz (Memoriav) gegründet: Er unterstützt betroffene Institutionen und stellt in einzelnen Fällen auch Geldmittel für die Digitalisierung zur Verfügung.

Auch in die Bibliothek des Vatikans hat die Digitalisierung Einzug gehalten: Ein Programm, das mit IBM durchgeführt wird, erlaubt es in Zukunft sehr viel mehr als nur gerade den 2000 Forschern, die heute diese Bibliothek besuchen, Einblick in die über 150 000 einmaligen Drucke und Handschriften zu geben. Dank dieses Programms haben nicht nur sehr viel mehr Menschen Zugang zu diesen Quellen – die wertvollen Bücher werden geschont, denn jede Benutzung beschädigt sie. Mit der Digitalisierung dürfte dieses Erbe auf lange Zeit hin gesichert sein – unter der Voraussetzung, dass die Daten regelmässig umkopiert werden....

Langfristig kann nur eine konsequente Digitalisierung das Überleben von wichtigen Archivbeständen sichern. Darüber besteht in der Fachwelt Einigkeit. Exotisch aber durchaus nicht ohne Reize mutet das Projekt der Long Now Foundation an: Sie will wichtige Daten in analoger Form auf eine Nickelscheibe pressen. Pro Scheibe haben 350 000 Seiten Platz. Haltbarkeit: 2000 – 10 000 Jahre. Mit dem Projekt soll gesichert werden, dass die heute auf der Erde gebräuchlichen Sprachen auch noch in ferner Zukunft verstanden werden können. Die Nickel-Scheibe heisst denn auch „The Rosetta Disk“ – in Anlehnung an den 1799 in Ägypten entdeckten Rosetta-Stein. Die Inschriften in verschiedenen Sprachen ermöglichten die Entschlüsselung der rätselhaften Hieroglyphen.


Quellen und weitere Informationen

Internet

Grundlagen und philosophische Fragen: The Long NowFoundation
http://www.longnow.org

National Media Lab, USA – Referenzlabor für Speichermedien (leider im Moment nicht zugänglich)
http://www.nml.org/

Alles über CD ROM
http://www.cd-info.com/

IBM: Speichertechnologien der Zukunft
http://www.research.ibm.com/

Holografische Speichermedien
http://linux23.kri.uni-koeln.de/grwoike/

Die HD Rosetta-Technologie von Norsam
http://www.norsam.com/rosetta.html

Fluorescent Multilayer Disc (FMD)
http://www.c3d.net

Die Internet Library
http://www.archive.org

Die Bibliothek des Vatikan
http://www.vatican.va

Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz
http://www.memoriav.ch/

Abteilung für wissenschaftliche Fotografie – Institut für physikalische Chemie der Universität Basel
http://www.foto.unibas.ch/

Gedruckte Quellen

Time & Bits. Managing Digital Continuity.
Hg. von Margaret MacLean und Ben H.Davis. Los Angeles 1998. (Getty Conservation Institute, Getty Information Institute, The Long Now Foundation)

Neue Technologien und Kulturgüter.  Studie für das Bundesamt für Zivilschutz. Hg. Von Rudolf Gschwind, Lukas Rosenthaler Abt. für wissenschaftliche Fotografie der Uni Basel und Franziska Frey Rochester University (USA).

Diese Studie kann beim Bundesamt für Zivilschutz bestellt werden.

Email an den Autor (Dominik Landwehr)
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